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  • Dr. Mirjam Wagner

Menstruation ist nicht eklig. MENSTRUATION ist WUNDERBAR.

Aktualisiert: 31. Jan. 2023

Vor circa einem Monat war Menstruation eines der Top-Themen in den Medien. Grund dafür: der "pinky glove" - ein pinkfarbener Handschuh, der Menstruierenden dabei helfen sollte, sich beim Tamponwechsel die Finger nicht schmutzig zu machen.


Meine erste Reaktion darauf war bloße Verwunderung. 💁 Wer braucht denn so was?


Zum Hintern abwischen brauche ich doch auch keinen Handschuh, was ich vergleichsweise naheliegender fände. Tatsächlich entwickelte sich zum „pinky glove“ relativ schnell ein riesiger Shitstorm. Die Gründer wurden so stark kritisiert, teilweise sogar angegriffen, dass sie ihr Produkt vom Markt nahmen und sich öffentlich entschuldigten. Natürlich ist so ein Handschuh auch in meinen Augen sexistisch und unnötiger Plastikmüll. Dennoch empfand ich die Angriffe den Herren gegenüber teilweise mindestens genauso übergriffig und unbedacht, wie ihr Angebot an uns.
 Und trotzdem entwickelte sich auch in mir ein Protest, der raus wollte. Obwohl mittlerweile niemand mehr über diesen Handschuh spricht, blieb dieses Gefühl der Wut in meinem Bauch. Woran konnte das liegen?


Die Antwort lag - na klar - in meiner Vergangenheit. Ich erinnerte mich daran, wie ich als junge Frau meine Menstruation als unangenehm und Einschränkung empfand. Vielleicht hätte ich den Handschuh vor ein paar Jahren noch selbst ausprobiert. Ich wollte meine Blutung nicht sehen. Deshalb fand ich Binden eklig, Tampons waren das weniger schlimme Übel. Eine Zeit lang habe ich die Pille durchgenommen, um gar keine Periode mehr zu haben. Ich und viele meiner Freundinnen sind unbemerkt mit dem Glaubenssatz aufgewachsen, dass Menstruation irgendwie unrein ist, weh tut oder uns schwach macht. Auf jeden Fall bedeutet sie nichts Gutes, daher sollte man sie besser verstecken.


Der Handschuh führte mir vor Augen, wie häufig Frauen und Menstruierende ein schwieriges Verhältnis zu ihrem Zyklus haben. Auch in meiner Arbeit als Gynäkologin wird dies Tag für Tag deutlich. Regelmäßig entschuldigen sich Menschen bei mir, weil sie bei der Untersuchung ihre Periode haben. Manche verweigern trotz Schmerzen die vaginale Untersuchung, wenn sie menstruieren, weil sie sich schämen. Viele Beschwerden verschlimmern sich oder können meines Erachtens nach sogar erst entstehen aus dieser direkten Ablehnung des eigenen Körpers oder der mentalen Verknüpfung von Schmerzen mit Menstruation. So können die Gedanken und Einstellungen, die wir zu unserer monatliche Blutung haben, zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden - sowohl im negativen als auch im positiven Sinne.


Für mich hat meine Menstruation mittlerweile eine sehr positive Bedeutung. Was mich an ihr so fasziniert, welchen Menstruationsmythos ich abgelegt habe, wofür ich ihr dankbar bin und was sie mir sogar schenkt, möchte ich euch gerne erzählen.


1. Menstruation ist ein natürlicher Vorgang meines Körpers. Sie ist ein Zeichen von Gesundheit und Fruchtbarkeit.


Am Anfang jedes neuen Zyklus menstruieren wir. Dabei wird die aus dem letzten Zyklus hoch aufgebaute Gebärmutterschleimhaut in Form einer Periodenblutung abgestoßen. Für den neuen Zyklus kann sich nun wieder eine frische, nährreiche Schleimhaut aufbauen, in die sich theoretisch eine befruchtete Eizelle einnisten könnte. Faszinierend! Man kann die Menstruation als ein Zeichen der Gebärmutter interpretieren, dass sie bald wieder bereit sein wird, ein neues Lebewesen aufzunehmen. Bei konsumierenden Erkrankungen, Anorexie oder in sehr anstrengenden Lebensphasen, auch psychischer Natur, kann es im Gegenzug dazu kommen, dass der Zyklus ausfällt. Hier ist der Körper eben nicht bereit oder gesund genug, ein Kind auszutragen.


2. Menstruation ist weder eklig, noch stinkt sie.


Menstruation ist Blut mit Schleimhaut. Beides finden wir an verschiedenen Stellen unseres Köpers, wie zum Beispiel im Mund oder in den Blutgefäßen. Entgegen mancher Slogans aus der Binden- oder Tamponwerbung hat Menstruationsblut einen neutralen Geruch. Das kann ich euch aus meiner beruflichen Erfahrung mit 100-prozentiger Sicherheit sagen. Ein übler Geruch wäre sogar ein Anzeichen für eine Infektion. Unangenehme Gerüche können außerdem durch Plastikbinden oder Synthetikunterwäsche entstehen. Deshalb greife ich lieber zu nachhaltigeren Periodenprodukten wie Baumwollbinden, Menstruationstasse oder Menstruationsunterhosen.


3. Menstruation ist meine monatliche Me-Time Garantie.


Ich bin ein absoluter Power-Mensch, die gerne/ viel zu häufig über ihre Grenzen geht. Das war definitiv die Hauptursache dafür, dass ich jahrelang an starken Menstruationsbeschwerden litt: Bauchkrämpfe, Übelkeit, verstärkte Blutungen, Durchfall, etc. ... das volle Programm. Seit ich vor allem am Ende der zweiten Zyklushälfte darauf achte, etwas langsamer zu machen und mich in dieser Zeit nicht unnötig unter Druck setze, sind diese Beschwerden verschwunden. Die ein oder andere denkt jetzt vielleicht: " Aber ich kann nicht einmal im Monat auf der Arbeit oder Zuhause zurücktreten.“ Dazu kann ich nur sagen: Es geht viel mehr, als Du glaubst und der Effekt wird Dich nicht nur überzeugen, sondern sogar in Summe produktiver machen. Ich bin selbstständig, Mutter und Ärztin im Krankenhaus. Ausfallen ist für mich selten eine Option. Dennoch konnte ich mit einer bewussten Selbstfürsorge kurz vor und während der Menstruation erreichen, dass meine Beschwerden nur noch sehr selten auftreten. Was ich genau anders mache?


Ich bemühe mich zum Beispiel kurz vor und während der Periode etwas weniger Nachtdienste zu planen. Muss ich dennoch in einen anstrengenden Dienst, gönne ich mir besonders gutes, ausgewogenes Essen und mache ganz bewusst vor Dienstbeginn eine Meditation oder eine angenehme Yogasession. Außerdem blocke ich mir den Tag dannach zum Schlafen und Erholen - nix anderes. Meinem Naturell fällt es eher schwer, mal einen Gang runter zu schalten. Dank meiner Menstruation habe ich mittlerweile einmal im Monat die Garantie, dass es diese Ruhephase für mich gibt. Für mich ist das eine große Errungenschaft, für die ich sehr dankbar bin.


4. Menstruation zeigt mir meine persönliche Stressbilanz auf.


Wer kennt das noch? Stressige Phasen im Leben, Prüfungen oder eine besondere berufliche oder private Belastung und die Periode verschiebt sich. Wahnsinn, wie schlau der Körper da reagiert. Sie realisiert, dass gerade viel los ist, also keine optimalen Bedingungen für eine Schwangerschaft vorherrschen, und verschiebt den Eisprung nach hinten. Seit ich meinen Körper beobachte und bewusst mit anstelle gegen meinen Zyklus lebe, erlebe ich sogar, dass meine Blutung nicht mehr mitten im stressigen Alltagstreiben oder Nachtdienst, sondern erst danach in Ruhe beginnt. Crazy! Mein Körper und ich sind ein super Team geworden und teilen scheinbar auch den Kalender 😉, wenn ich in meiner Dienstplanung nicht aufpasse.


5. Menstruation ist Teil meines Körpererlebens und meiner Weiblichkeit.


Unser Hormonzyklus macht uns so wahnsinnig vielfältig. In jeder Phase haben wir ein wenig anderes körperliches Erleben und können auch unterschiedliche Stärken besser nutzen. In der erste Zyklushälfte bin ich zum Beispiel voller Energie, kreativer Ideen und Lust. Vor und während der Menstruatrution werde ich etwas ruhiger und kann mir dies mittlerweile auch gönnen. Dann kann ich zum Beispiel gut über den vergangen Monat reflektieren und rationale Schlüsse ziehen. Jede Person, die sich traut ins bewusste Erleben ihres Zyklus einzutauchen, hat mir von einer lebensverändernden Erfahrung berichtet, bei der sie auch vieles über sich selbst lernen durfte. Bei mir war ist das auf jeden Fall so. Heute möchte - bis zur Menopause - nicht mehr ohne oder gegen meinem Zyklus leben.


Menstruation ist Natur, gehört zu einem Großteil unseres Leben dazu, hilft uns unseren Körper zu verstehen und sogar Leben zu schenken. Sie kann uns außerdem bei einem liebevolleren Umgang mit uns selbst unterstützen. Das ist meine persönliche Einstellung zu meiner Menstruation geworden und damit fahren ich und mein Körper seit einiger Zeit ziemlich gut, glücklich und im Einklang.


Wer Lust hat tiefer in das Thema Zyklus und Verhütung einzusteigen, ist übrigens herzlich eingeladen an meinem Workshops dazu teilzunehmen.



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